Videoüberwachung in der Bahnhofsunterführung

Aufmerksamen Passanten wird es bereits aufgefallen sein: Seit kurzem befinden sich in der Traunsteiner Bahnhofsunterführung 6 Überwachungskameras. Dies ist überraschend da die Stadt Traunstein bisher nicht durch eine hohe Kriminalitätsrate aufgefallen ist. In anderen deutschen Städten beißen Befürworter einer dauerhaften öffentlichen Gesichtserkennung oft noch auf Granit, so hat unlängst der Datenschutzbeauftragte des Landes Berlin den Berliner Verkehrsbetrieben für die dauerhafte Einrichtung von Kameras zur Gesichtserkennung am Kottbusser Tor eine Absage erteilt. Für die Videoüberwachung öffentlicher Plätze ohne konkreten Anlass bestehe im Berliner Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz keine Rechtsgrundlage.

Überwachungskamera in der Bahnhofsunterführung Traunstein
Überwachungskamera in der Bahnhofsunterführung bei der Treppe zum Bahnhofsvorplatz                         

Wesentlich weiter ist man hier in Traunstein. Ohne Stadtratsbeschluss wurden an einem wichtigen Fußgängernadelöhr Biometrische Systeme zur Gesichtserkennung installiert. Eine datenschutzrechtliche Abwägung durch den Traunsteiner Stadtrat ist nicht erfolgt. Noch funktionieren Systeme zur automatischen Gesichtserkennung nicht zuverlässig, problematisch sind vor allem die Lichtverhältnisse, dies ergab eine Studie des Bundeskriminalamtes am Mainzer Bahnhof.

Wohin der Weg in Traunstein geht zeigt sich wenn man die beiden Kameras im Bereich des Westausganges der Unterführung betrachtet:

Stereoskopisches Kamerasystem für 3-Dimensionale Aufnahmen in der Traunsteiner Bahnhofsunterführung
Stereoskopisches Kamerasystem für 3-Dimensionale Aufnahmen in der Traunsteiner Bahnhofsunterführung 

Für die Erfassung eines Kopfes in 3D-Ansicht sind stereoskopische Aufnahmen bei möglichst gleichbleibenden Lichtverhältnissen notwendig. Dreidimensionale Gesichtsmodelle sind vom Lichteinfall weitgehend unabhängig, somit ist eine höhere Erkennungsrate gewährleistet. Es zeigt sich dass man sich bereits bei der Planung der Unterführung Gedanken über die möglichst effiziente Erfassung der Gesichter und Köpfe gemacht hat, die Beleuchtung im Bereich der Stereokameras ist wesentlich besser als im Rest des Tunnels und zu den beiden Kameras exakt mittig ausgerichtet.
Auf der Website der Bayerischen Polizei www.polizei.bayern.de steht zum Stand der Videoüberwachung in Bayern u.a. folgendes zu lesen:
“Polizeiliche Videoüberwachung in Bayern erfolgt unter den Voraussetzungen des Art. 32 Polizeiaufgabengesetz (PAG) an ausgewählten kriminalitätsbelasteten Örtlichkeiten (Kriminalitätsschwerpunkten) als integrativer Bestandteil eines polizeilichen Gesamtkonzeptes zur Gefahrenabwehr und zur Verhütung und Bekämpfung von Sicherheitsstörungen und Straftaten im öffentlichen Bereich. Dabei weisen geeignete Hinweisschilder die Bürger deutlich auf den videoüberwachten Raum hin.”
Nun ist jedem Traunsteiner sicherlich bekannt dass die Bahnhofsunterführung nicht als “kriminalitätsbelastete Örtlichkeit” bezeichnet werden kann, niemand muss dort oder auch sonstwo in Traunstein Angst haben hinterrücks überfallen zu werden. Hinweisschilder aus denen deutlich hervorgeht wer für das Kamerasystem und die dadurch erzeugten Daten verantwortlich ist wurden ebenfalls nicht angebracht. Es bleibt nur die Vermutung dass die Kameras als “…integrativer Bestandteil eines polizeilichen Gesamtkonzeptes…” installiert wurden.

Welche Auswirkungen sind für die Traunsteiner zu erwarten?
Es ist davon auszugehen dass von einem beträchtlichen Teil der Traunsteiner Fußgänger in kürze qualitativ hochwertige Daten der Kopfform, des Gesichts und des gesamten Körpers zur Verfügung stehen werden, besonders die Schüler des Annette-Kolb Gymnasiums werden fast ausnahmslos vermessen sein.
Wer seit November 2005 einen Reisepass beantragt hat trägt biometrisch auswertbare und per RFID-Chip ( Radio Frequency Identification ) maschinenlesbare Bilder mit sich herum. Sollte zusätzlich ein RFID-Lesegerät in der Bahnhofsunterführung installiert werden (wenn dies nicht bereits geschehen ist) können die von den Kameras erfassten Daten automatisiert mit den auf dem Ausweis enthaltenen Daten abgeglichen und so ein 100 % verlässliches Bewegungsprofil erstellt werden.
Auch die Stimmungslage eines Menschen kann mit solch hochwertigen Daten erfasst werden, künstliche neuronale Netze sind heute in der Lage nach einer Trainingsphase (diese findet gerade statt) Stimmungen anhand verzogener Mundwinkel oder weit geöffneter Augen zu erfassen, die Traunsteiner Polizei weiß also in Zukunft nicht nur wann Sie sich gerade in der Nähe des Bahnhofs bewegen sondern auch wie sie sich fühlen.

Zu unserem Grundgesetzt Artikel1, Absatz 1: “Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.” steht die neue Überwachungsanlage in der Traunsteiner Bahnhofsunterführung in scharfem Gegensatz.

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